Die Stunde Null in Gaza ist möglich

Von einer Bereitschaft der Palästinenser, kollektiven Selbstmord zu begehen, kann keine Rede sein.

Frage: Die Hamas ist der Dreh- und Angelpunkt dieses für alle Seiten furchtbaren Kriegs. Kann sie denn eliminiert werden, was Premier Benjamin Netanjahu als Ziel nennt, oder schadlos gemacht werden? Was müssen die nächsten Schritte sein?

Antwort: Es ist erstaunlich, dass gerade diese Frage gerade in Deutschland gestellt wird. Denn auch der Nationalsozialismus schien nach innen wie nach außen allmächtig. Aber durch die totale militärische Niederlage, die am 8. Mai 1945 feststand, ist ein neues Deutschland entstanden. Zuerst zumindest im Westen – und 1990 dann glücklicherweise friedlich und demokratisch auch im Osten. Obwohl die gesamte Gesellschaft terrorisiert und nazifiziert worden war und bis 1940 die Massen ja auch Adolf Hitler und den Mitverbrechern zujubelten, weil der Krieg ja so ein Spaziergang zu sein schien.

Nach 1945 gab es auch viele Nazis in entscheidenden Stellen. Selbst in der Parlamentarischen Versammlung, die das Grundgesetz gemacht hat: Neben lupenreinen Demokraten gab es  da drei aktivistische Nazis. Was leiten wir daraus ab? Erst kommt die Macht, dann die Moral. Wenn die Hamas nicht eine totale Niederlage erleidet, ist auch der politische Umschwung nicht möglich.

Die aktuelle Situation ist aber so, dass die Jubler für die Hamas immer noch da sind. Obwohl Gaza-Stadt aussieht wie Berlin in der Stunde Null.

Das sehe ich nicht so. Da wo es möglich ist, bahnen sich spontane Protestreaktionen der palästinensischen Bevölkerung gegen die Hamas an. Von außen einzuschätzen, was in dieser Kriegssituation die wahre politische Lage ist, halte ich für spekulativ. Von einer Bereitschaft, kollektiven Selbstmord zu begehen, kann, finde ich, keine Rede sein. Die Palästinenser sind Menschen wie du und ich, und die wollen natürlich lieber in Frieden leben.

Um den Gedanken zu Ende zu spinnen: Deutschland 1945 und Palästinenser 20…

2025.

…und das würde bedeuten, es dass es in der Hamas künftige Gründerväter und -mütter gäbe?

Ja natürlich. Das zeigt die Geschichte ja bereits. Einer der Söhne von Hamas-Hauptgründer Sheik Yassin ist längst desertiert. Er kooperiert eng mit den Israelis und gibt ein Interview nach dem anderen, in dem er schildert, wie grausam und absurd die Ideologie und Praxis der Hamas ist. Je schärfer die Krise, desto klarer der Kopf. Die Stunde Null ist möglich. Wer immer nur sagt, dass die Palästinenser allein die Israelis schuldig machen an ihrer Lage, der hält letztlich die Palästinenser für dumm.

Interview mit der Rheinpfalz am Sonntag vom 27. April 2024

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